Die Düsseldorfer Tabelle
Die Düsseldorfer Tabelle. Was ist das eigentlich? Und wie wird sie angewendet?
Die Düsseldorfer Tabelle ist eine Richtlinie, die 1962 (!) erschaffen wurde, um die Berechnung von Kindesunterhaltsansprüchen möglichst zu vereinheitlichen. Sie wird bis zum heutigen Tage in Abstimmung der Oberlandesgerichte und des deutschen Familiengerichtstags an die neuen Lebensverhältnisse in Deutschland angepasst.
Die Düsseldorfer Tabelle ist kein Gesetz. Sie müssen sie sich vorstellen wie eine Orientierungshilfe. Allerdings ist sie extrem praxisrelevant sowohl für die anwaltliche Arbeit als auch für Gerichtsverfahren, da sie sich als Berechnungsgrundlage für Kindesunterhaltsberechnungen vollständig etabliert hat.
Das Grundprinzip der Düsseldorfer Tabelle
Dazu finden Sie – hier – die aktuelle Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2024. Anhand dieser Tabelle erläutere ich Ihnen das Grundprinzip der Berechnung von Kindesunterhalt.
Sie finden oben in der horizontalen Leiste das Kind, für welches Unterhalt gezahlt werden soll. Das Kind ist in Altersstufen unterteilt: Kinder von 0-5 Jahre, von 6-11 Jahre, von 12-17 Jahre und schließlich ab 18 Jahren.
Die Kinder von 0-5 Jahre werden als 1. Altersstufe bezeichnet, die Kinder von 6-11 Jahre als 2. Altersstufe, die Kinder von 12-17 Jahre als 3. Altersstufe.
In der vertikalen Ebene in der linken Spalte finden Sie das Einkommen desjenigen, der zur Unterhaltszahlung verpflichtet ist. Vorsicht: Das dort wiedergegebene Einkommen stellt nicht das Nettoeinkommen dar, welches ein Unterhaltspflichtiger hat, sondern das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen.
Das Nettoeinkommen setzt sich zusammen aus allen Einkommensarten: Erwerbseinkommen einschließlich Arbeitgeberzulagen, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Einkommen aus Kapitalerträgen, Mieteinnahmen. Wenn Sie mietfrei wohnen, kann das einen Einkommensbestandteil sein.
Bereinigt wird dieses Einkommen, indem man alle Ausgaben für Kranken- und Altersvorsorge abzieht. Die Abzüge für Altersvorsorge sind durch den Bundesgerichtshof allerdings der Höhe nach begrenzt worden. Bei nicht selbstständigen soll die zusätzlich neben den über das Gehalt abgeführten Rentenbeiträge nicht höher liegen als 4 % des Vorjahres- Bruttoeinkommens.
Im bestimmten Fällen können auch Schulden in Abzug gebracht werden. Dies hängt aber vom Einzelfall ab.
Mit diesem bereinigten Einkommen ordnet sich der Unterhaltspflichtige in eine der Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle ein.
Wenn Sie dann diese Spalte zusammenführen mit der Spalte, die sich aus der Altersstufe ergibt, bekommen Sie den monatlichen Bedarf des Kindes. Das Wort Bedarf meint den Betrag, den das Kind abhängig von seinem Alter und abhängig von dem bereinigten Einkommen des Pflichtigen jeden Monat zur Verfügung haben soll.
Der Tabelle können Sie entnehmen, dass je höher das Einkommen liegt, desto höher liegt auch der Unterhalt. Einem Kind, dessen Unterhaltspflichtiger Vater oder dessen unterhaltspflichtige Mutter über ein Einkommen von beispielsweise 6.000 € bereinigt verfügt, soll mehr Geld für den Monat zur Verfügung gestellt werden als durch einen Unterhaltspflichtigen, der beispielsweise 2.000 € im Monat verdient. Dasselbe gilt für das Alter. Mit steigendem Alter steigt auch der Bedarf des Kindes.
Beispiel: Das bereinigte Einkommen liegt in der Einkommensgruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle mit 2.800 €. Das unterhaltsberechtigte Kind ist 4 Jahre alt. Der Bedarf monatlich beträgt 503 €.
Weiteres Beispiel: Der Unterhaltspflichtige oder die Unterhaltspflichtige hat ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 8.000 €. Dann beträgt sein Bedarf nach aktueller Düsseldorfer Tabelle 1082 €.
Bitte beachten Sie, dass diese Düsseldorfer Tabelle davon ausgeht, dass Sie als Unterhaltspflichtiger oder Unterhaltspflichtige für zwei Personen Unterhalt bezahlt also z.B. für zwei Kinder oder für ein Kind und den getrenntlebenden Ehepartner. Wenn sie nur für eine Person Unterhalt bezahlen oder aber für mehr als zwei Personen, dann gleichen Sie die Differenz zu der der Tabelle zugrunde liegenden Verpflichtung gegenüber zwei Personen dadurch aus, dass Sie sich in den Einkommensgruppen herunterstufen oder aber hochstufen.
Welche Rolle spielt das Kindergeld?
In dem Bedarfsbetrag der Tabelle ist das Kindergeld noch nicht berücksichtigt. Wenn Sie der zur Zahlung verpflichtete Elternteil sind und die Familienkasse das Kindergeld an den anderen Elternteil auszahlt, dann dürfen Sie von dem in der Tabelle abgelesenen Bedarfsbetrag den hälftigen Kindergeldanteil – derzeit 125 € – abziehen. Dann würden Sie also in dem oben genannten ersten Beispiel nicht 503 € an den anderen Elternteil bezahlen, sondern 378 €. In dem zweiten Beispiel sind nicht 1.082 € zu bezahlen sondern 957 €.
Anders, wenn Sie, der Sie selber den Unterhalt bezahlen müssen, auch das Kindergeld beziehen. In diesem Falle müssen Sie den hälftigen Kindergeldanteil zusätzlich zu dem in der Tabelle abgelesenen Bedarfsbetrag an den Elternteil auskehren. Im ersten Beispiel zahlen Sie also nicht 503 € sondern 628 €. Im zweiten Beispiel zahlen Sie nicht 1.082 € sondern 1.207 €.
Betreuungsunterhalt und Barunterhalt
Dem oben geschilderten Anwendungsprinzip der Düsseldorfer Tabelle liegt die Unterscheidung zwischen Betreuungsunterhalt und Barunterhalt zugrunde. Sie ist wichtig für das Verständnis der Düsseldorfer Tabelle.
Sie können nämlich für ihr Kind auf zwei verschiedene Arten Unterhalt bezahlen: entweder Sie betreuen Ihr Kind, sind also faktisch für Ihr Kind da, versorgen es, ernähren es, kleiden es, bringen es zur Schule, machen mit ihm Hausaufgaben usw. Die Betreuung Ihres Kindes ist eine Unterhaltsart, sogenannter Betreuungsunterhalt.
Oder aber Sie finanzieren mit Geld den monatlichen Bedarf Ihres Kindes. Das ist der Barunterhalt.
Diese beiden Betreuungsarten gelten als gleichwertig. Die Folge ist, dass ein Elternteil, der weit überwiegend dem Betreuungsunterhalt leistet, Anspruch auf Barunterhalt hat.
Dieses Grundprinzip liegt der veralteten Düsseldorfer Tabelle zugrunde. Bei den Unterhaltspflichtigen, der in die Einkommensgruppen eingeordnet wird, wird unterstellt, dass er einen Barunterhalt bezahlen muss, weil der andere Elternteil den Betreuungsunterhalt leistet.
Die Tabelle ist deswegen so veraltet, weil es die früheren Betreuungsverhältnisse kaum noch gibt. Um das zu verstehen, muss man ein bisschen zurückgehen in die Historie der Düsseldorfer Tabelle. Sie stammt immerhin aus den 1960 er Jahren. Wir haben damals Eltern ihre Kinder betreut? In der Regel blieben die Mütter zu Hause. Sie haben sich um Haushalt und Kinder gekümmert. Die Väter haben gearbeitet und den Familienunterhalt sichergestellt. Die weit überwiegende Betreuung lag also bei der Mutter verknüpft mit der Idee, dass dies auch ihre ureigene Rolle sei, wohin gegen die ureigene Rolle des Vaters darin bestehen sollte, den Bedarf der Familie sicherzustellen. Man muss sich an dieser Stelle vielleicht auch vergegenwärtigen, dass Frauen damals noch nicht einmal ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes einer Erwerbstätigkeit nachgehen durften.
Heute aber haben die Familien, in denen beide Elternteile viel betreuen, vielleicht sogar paritätisch, zahlenmäßig stark zugenommen.
Deswegen ist die Tabelle zunehmend unter Kritik geraten. Denn ein Elternteil, der ein Kind beispielsweise zu 40 % betreut, und er also in dieser 40-prozentigen Betreuungszeit sein Kind ja auch finanziert, müsste bei konsequenter Anwendung der aktuellen Düsseldorfer Tabelle trotzdem den Unterhaltsbetrag bezahlen, der sich ergäbe, wenn er nur 5 % oder sogar gar nicht betreuen würde. D. h., dass der Unterhaltspflichtige doppelt belastet ist.
Das Bundesjustizministerium will diesen Missstand abschaffen. Es ist eine Änderung in der Anwendung der Düsseldorfer Tabelle geplant. Bei dieser Änderung sollen der Betreuungsanteil und das Einkommen der Eltern gleichermaßen Berücksichtigung finden. Da der Entwurf des Bundesjustizministeriums noch nicht vorliegt, werden in der Praxis aktuell sowohl bei Anwälten als auch bei den Familiengerichten Modelle angewendet, um eine Anpassung an die erhöhten Betreuungsanteile dennoch bereits vorzunehmen.
Anwendung der Tabelle bei erweitertem Umgang und bei paritätischer Betreuung
Was ist ein erweiterter Umgang? Derzeit wird darunter verstanden ein Umgang zwischen 30 % und 49 % der Gesamtbetreuungszeit. Es zeichnet sich ab und wird auch seitens des BMJ erwartet, dass man diese Betreuungszeit durch die Zahl der Übernachtungen definiert.
Unter einer paritätischen Betreuung versteht man diejenige, bei der die Betreuungszeit 50 % zu 50 % verteilt ist.
Für erweiterten und paritätischen Umgang gilt, dass nicht mehr nur auf das Einkommen eines Elternteils abgestellt werden kann, sondern dass auf das Einkommen beider Elternteile abgestellt werden muss, denn beide Elternteile sind in der Situation, den Betreuungsunterhalt zu leisten und gleichzeitig einen Barunterhalt verlangen zu dürfen.
Infolgedessen wird der Bedarf nicht mehr nur nach dem Einkommen des einen Elternteils aus der Düsseldorfer Tabelle bestimmt, sondern nach den zusammengerechneten bereinigten Einkommen beider Eltern.
Danach schließt sich eine Unterhaltsberechnung an, die die Betreuungsanteile und die Barunterhaltsanteile beider Eltern berücksichtigt. Des Weiteren müssen die sogenannten Selbstbehalte berücksichtigt werden. Das sind die Beträge, die jeder Elternteil bei Zahlung von Kindesunterhalt für sich soll behalten dürfen. Bei der Berechnung der Unterhaltsanteile bei erweitertem Umgang oder paritätischer Betreuung lauten die Selbstbehalte beim nach dem Kammergericht derzeit 1.650 €.
Weiter sind Mehrkosten für das Kind zu berücksichtigen, denn für dieses wird in beiden Haushalten ein Aufwand zur Verfügung gestellt durch das Zimmer, zusätzliche Kleidung, Aufwand für Freizeitveranstaltungen usw.
Wie die durch das Bundesjustizministerium vorgesehene Regelung diesen Umständen im Einzelnen Rechnung tragen wird, ist noch nicht bekannt. Bis zur Vorlage des Gesetzes behilft man sich entweder mit einer Herabstufung der Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle oder aber mit Berechnungsmodellen, in denen Bar- und Betreuungsanteile in Prozenten kombiniert werden.