Artikel vom 27. Juli 2016 In der Kategorie

Wie hoch ist der Streitwert bei einer Ehescheidung?

In meiner Praxis werde ich häufig danach gefragt, welche Kosten ein Ehescheidungsverfahren auslöst. Die Frage betrifft die Gebühren die für die Tätigkeit des Rechtsanwalts anfallen und die Kosten des Gerichts.

Beide Gebühren orientieren sich an den Nettoeinkommen beider Eheleute. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen eines jeden Ehepartners wird mit 3 multipliziert und sodann die Summen addiert.

Wenn also der Ehemann beispielsweise ein Nettoeinkommen in Höhe von 2.000,00 € hat und die Ehefrau beispielsweise ein Nettoeinkommen von 1.500,00 € hat, dann sind für den Ehemann 6.000,00 € anzusetzen und für die Ehefrau 4.500,00 €. Die Summe beträgt 10.500,00 €.

Nach meiner Erfahrung arbeiten die meisten Familiengerichte mit diesen Einkommenszahlen und berücksichtigen darüber hinaus weitere nicht. Sie dürfen aber nach dem Gesetz weitere Positionen ansetzen:

Das Kindergeld erhöht das Einkommen desjenigen Ehepartners, der es bezieht.

Auch Elterngeld ist zu berücksichtigen.

Sozialhilfe hingegen ist nicht als Einkommen anzusetzen.

Zu berücksichtigen ist aber wiederum das Vermögen. In welchem Umfang das Familiengericht das Vermögen berücksichtigt, ist umstritten. Zumeist setzen Gerichte 5 % aus dem vorhandenen Vermögen der Eheleute an. Das vorhandene Vermögen ergibt sich aus dem Aktivvermögen nach Abzug von Verbindlichkeiten.

In diesen Fällen werden von den Gerichten in der Regel Freibeträge angesetzt. Diese belaufen sich je Ehegatte auf 20.000,00 € und je Kind auf 10.000,00 €.

Wenn die Ehepartner Kinder haben, dann setzen die Familiengerichte in der Regel je Kind 250,00 € von dem Nettoeinkommen der Eheleute ab.

In dem Großteil aller Ehescheidungsverfahren ist das Versorgungsausgleichsverfahren auf den Ausgleich der von Ihnen und Ihrem Ehepartner während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften ausgerichtet. Dieses Verfahren muss ein Familiengericht von Amts wegen betreiben, wenn ein Ehescheidungsantrag eingereicht wird. Nur wenn Eheleute vortragen, dass sie sich über den Versorgungsausgleich bereits vorab verständigt haben und diese Verständigung auch per notarieller Urkunde nachweisen können, kann das Familiengericht von einem solchen Verfahren absehen.

Dieses Versorgungsausgleichsverfahren hat einen eigenen Streitwert. Dieser wird errechnet, in dem für jedes in die Versorgungsausgleichsberechnung einbezogene Anrecht 10 % aus dem 3-fachen monatlichen Nettoeinkommen der Eheleute angesetzt werden.

Wenn Sie also das obige Beispiel nehmen, in welchem für das Ehescheidungsverfahren insgesamt 10.500,00 € angesetzt wurden, dann betragen 10 % hieraus 1.050,00 €. Angenommen, für den Ehemann werden im Versorgungsausgleichsverfahren ein Anrecht aus der gesetzlichen Rentenversicherung und ein Anrecht aus einer betrieblichen Altersversorgung einbezogen und für die Ehefrau ein Anrecht aus der gesetzlichen Rentenversicherung und ein Anrecht aus einem privaten Rentenversicherungsvertrag. Dann sind insgesamt vier Anrechte zu bearbeiten. Der Streitwert für den Versorgungsausgleich beträgt also: 4 x 1.050,00 € = 4.200,00 €.

Dieser Wert in Höhe von 4.200,00 € wird mit demjenigen für das Ehescheidungsverfahren in Höhe von 10.500,00 € addiert, so dass sich ein Gesamtstreitwert in Höhe von 14.700,00 € ergibt, aus dem Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten errechnet werden.

Bitte beachten Sie, dass es gelegentlich für einen Rechtsanwalt, den Sie mit der Ehescheidung beauftragen, recht schwierig ist, bereits zu Beginn des Ehescheidungs-verfahrens zu erkennen, wie viele Anrechte im Rahmen des Versorgungsausgleichs-verfahrens bearbeitet werden. Es kommt gelegentlich vor, dass ein Ehepartner eines der bestehenden Anrechte einfach vergisst und dieses erst wieder im Laufe des Verfahrens realisiert. Häufig ist es aber auch so, dass Ehepartner nicht genau wissen, ob ein Versicherungsvertrag, den sie zum Zwecke der Altersvorsorge führen, auf Rentenbasis basiert oder auf Kapitalbasis. In den Versorgungsausgleich werden aber nur solche Anrechte einbezogen, die auf Rentenbasis bestehen. Versicherungsverträge, die eine Kapitalausschüttung vorsehen, sind im Versorgungsausgleich nicht zu behandeln, sondern gehören in das sog. Güterrecht oder Zugewinnausgleichsrecht. So kann es sein, dass Ihr Anwalt mit Ihnen zunächst von einem Rentenversicherungsvertrag ausgeht, sich am Ende aber herausstellt, dass es sich um einen güterrechtlich zu bearbeitenden Vertrag handelt. Sie sollten also am Anfang eines Ehescheidungsverfahrens einkalkulieren, dass sich der Gegenstandswert durchaus noch verändern kann. Erst am Ende des Ehescheidungsverfahrens, nämlich im Ehescheidungstermin, wird der Familienrichter mit den Anwälten und Ihnen den Gegenstandswert abschließend bestimmen und festsetzen. Dieser durch das Gericht festgesetzte Wert hat dann für die Staatskasse und für die Rechtsanwälte die Basis für die Gebührenabrechnung zu sein.

Der Rechtsanwalt erhält für seine Tätigkeit die sog. Verfahrensgebühr, die die schriftliche Arbeit abdeckt und sodann die Terminsgebühr, welche die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung mit Ihnen abdeckt. Hinzukommen Auslagen und die Mehrwertsteuer.

Für die Gerichtskosten muss derjenige Ehepartner, der den Ehescheidungsantrag einreicht, einen Gerichtskostenvorschuss an die Staatskasse einzahlen. Diesen Vorschuss bestimmt Ihr Rechtsanwalt auf der Basis des von ihm zunächst angenommenen Gegenstandswertes, den er auf der Basis der jeweiligen 3-fachen Nettoeinkommen bestimmt hat. Der Gerichtskostenvorschuss wird am Ende des Gerichtsverfahrens auf die entstandenen Gerichtskosten verrechnet. Bitte beachten Sie hierbei, dass im Ehescheidungsverfahren immer die Kosten beider Ehepartner gegeneinander aufgehoben werden. Kostenaufhebung bedeutet, dass die Eheleute jeweils ihren eigenen Rechtsanwalt bezahlen und die Gerichtskosten teilen. Die Staatskasse wird am Ende des Verfahrens automatisch ausrechnen, wie hoch der jeweils auf jeden Ehepartner entfallende Gerichtskostenanteil ist. In der Regel bekommt derjenige Ehegatte, der den Ehescheidungsantrag eingereicht und den Vorschuss auf die Gerichtskosten eingezahlt hat, einen Teil des von ihm eingezahlten Betrages wieder zurück.

Wenn Sie ein Ehescheidungsverfahren auf den Weg bringen, dann sollten Sie mit Ihrem Rechtsanwalt bzw. Ihrer Rechtsanwältin die Umstände der Streitwertbemessung erörtern, damit Sie in etwa die auf Sie zukommenden Kosten kalkulieren können.

Zahlungen Ihrerseits entfallen, wenn der Staat Ihnen die sog. Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Dies ist dann der Fall, wenn der Steuerzahler Ihre Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren übernimmt, weil Sie dies aufgrund Ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht können. In diesem Falle brauchen Sie auch keinen Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen.