Wenn Sie für Ihr Kind keinen Kitaplatz bekommen
Anspruch auf Ersatz Ihres Verdienstausfalls, wenn Ihnen für Ihr Kind ein Kitaplatz nicht zur Verfügung gestellt wird.
Auch für die in Berlin lebenden Kinder gilt, dass sie nach den Bestimmungen im Sozialgesetzbuch VIII (SGBVIII) seit dem 01. August 2013 einen Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte haben. Der Anspruch gilt für Kinder ab dem 1. Lebensjahr.
Dass es diesen gesetzlich normierten Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte gibt, war durch die gesetzliche Regelung vom 01.08.2013 geklärt. Was aber seitdem vielfach kontrovers diskutiert wurde, war die Frage, welche Folgen es hatte, wenn dieser Kitaplatz nicht zur Verfügung gestellt wurde.
Der Bundesgerichtshof hat am 20. Oktober 2016 zu dieser Problematik gleich drei Entscheidungen gefällt. Er stellt fest, dass ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe, welcher nach dem Gesetz grundsätzlich dazu verpflichtet ist, einen Platz in einer Kindertagesstätte zur Verfügung zu stellen, dann seine Amtspflicht verletzt, wenn die sorgeberechtigten Eltern das anspruchsberechtigte Kind rechtzeitig angemeldet haben. Diese Amtspflicht umfasst nach BGH nicht nur die Pflicht, für die Bereitstellung des Kitaplatzes Sorge zu tragen, sondern darüber hinaus auch den Schutz der Interessen der sorgeberechtigten Eltern des betroffenen Kindes. Diese Eltern sollen deshalb nach BGH den Ersatz ihres Verdienstausfalls als Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung geltend machen können. Das bedeutet für Sie konkret, dass, wenn Sie den Kindergartenplatz nicht bekommen und deshalb Ihr Kind selber betreuen müssen und weiter Ihnen hierdurch Einkommen verloren geht, Sie das entgangene Einkommen als Schadensersatzanspruch von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe verlangen können.
Diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind deswegen besonders, weil die gesetzlichen Bestimmungen eigentlich nur definieren, dass der Kindergartenplatz für das Kind zur Verfügung gestellt werden muss. Der BGH geht aber hierüber weit hinaus, in dem er nicht nur das Kind schützt, sondern darüber hinaus den Eltern, die wirtschaftliche Nachteile dadurch haben, dass sie ihr Kind selber betreuen müssen, einen Schadensersatzanspruch zubilligt.
Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass es nicht nur vordergründig um die Bereitstellung des Kindergartenplatzes geht, sondern auch darum, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zu verbessern.
Welche Voraussetzungen müssen Sie also erfüllen, und was müssen Sie tun, wenn Sie einen solchen Verdienstausfallschaden geltend machen möchten?
- Sie müssen Ihr Kind rechtzeitig für den Kitaplatz angemeldet haben.
- Die gesamte Kommunikation zwischen Ihnen und dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der den Kitaplatz zur Verfügung stellt, sollte der Nachweisbarkeit wegen möglichst schriftlich abgewickelt werden. Heben Sie nicht nur Kopien von Schreiben oder Emails auf, sondern sichern Sie auch, dass Sie den Zugang von Schreiben nachweisen können.
- Zeichnet sich im Rahmen der Kommunikation ab, dass ein Kitaplatz nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden kann, weisen Sie den Träger der öffentlichen Jugendhilfe frühzeitig darauf hin, dass Sie, falls erforderlich, Schadensersatzansprüche geltend machen werden. Stellen Sie in diesem Zusammenhang auch dar, wie Ihre aktuelle und geplante Berufstätigkeit aussieht und warum aufgrund dieser Berufstätigkeit nicht damit gerechnet werden kann, dass Sie in irgendeiner Weise den Ausfall des Kitaplatzes durch Eigenorganisation der Kinderbetreuung kompensieren könnten.
Bitte beachten Sie bei alledem, dass der Anspruch auf Ersatz des Verdienstaus-fallschadens ein Schadensersatzanspruch ist. Im Schadensersatzrecht gilt allgemein, dass derjenige, der einen solchen Anspruch geltend macht, auch eine sog. Schadensminderungspflicht hat. D.h., dass er dazu verpflichtet ist dafür zu sorgen, dass der Schaden nicht größer ausfällt, als unbedingt erforderlich. Um dieser sog. Schadensminderungspflicht gerecht zu werden, sollten Sie entweder eigene vorhandene und zumutbare Möglichkeiten der Fremdbetreuung wirklich nutzen oder aber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe, wie oben dargestellt, im Einzelnen erläutern, warum Sie diese Eigenorganisation nicht leisten können. Dies kann organisatorische Gründe oder aber auch wirtschaftliche haben.
Bitte beachten Sie weiter, dass bei der Frage, welcher Kitaplatz Ihnen zur Verfügung gestellt werden muss, Zumutbarkeitskriterien greifen. Wenn Ihnen also ein Kitaplatz oder Ersatzkitaplatz zur Verfügung gestellt wird, dürfen Sie diesen nur dann ablehnen, wenn die Entfernung des angebotenen Platzes von Ihrem Wohnort in Kilometern dies erforderlich macht, oder aber wenn die zeitliche Entfernung der Wegstrecke zwischen Wohnung und Kindertagesstätte dies erfordert, oder weil die Wegstrecke zwischen Kindertagesstätte und Arbeitsstätte dies notwendig macht oder aber weil die Qualität des Angebotes in der Kindertagesstätte nicht ausreichend ist.
Es lohnt sich also, wenn ein solcher Verdienstausfallschaden bei Ihnen im Raum steht, dessen Geltendmachung sorgfältig vorzubereiten. Das erleichtert Ihnen die eventuell auch gerichtliche Geltendmachung Ihrer Ansprüche erheblich.
Diese Geltendmachung Ihrer Ansprüche hat der Bundesgerichtshof in den bezeichneten Entscheidungen übrigens zusätzlich erleichtert, in dem er feststellt, dass bei der Frage, ob ein Verschulden des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe vorliegt, zugunsten der anspruchsberechtigten Eltern ein sog. erster Anschein greifen soll. Das ist eine enorme
Beweiserleichterung für Sie als anspruchsberechtigte Eltern. Das Gericht, das mit der Sache befasst wäre, dürfte zu Ihren Gunsten davon ausgehen, dass ein Verschulden des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe vorliegt. Es liegt dann an dem Träger, diese Unterstellung des schuldhaften Handelns, zu widerlegen. Gelingt dies dem Träger nicht, ist es dem Schadensersatzanspruch ausgesetzt und muss diesen erfüllen.
Letzte Voraussetzung hierfür ist, dass Sie den Verdienstausfall genau beziffern müssen. Sind Sie angestellt tätig, werden Sie dies durch Bescheinigungen von Arbeitgeberseite leisten können. Wenn Sie z. B. auf eine Teilzeitstelle zurückfahren müssen, weil die Betreuung des Kindes eine Vollzeitbeschäftigung nicht mehr erlaubt, dann können Sie über die Kommunikation mit dem Arbeitgeber und dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nachweisen, dass der Wechsel in die Teilzeitstelle ursächlich durch die Eigenbetreuung des Kindes bedingt war. Sind Sie hingegen selbständig tätig, müssen Sie über Vergleichsberechnungen darstellen, wie hoch der Einkommensrückgang ist.