Wann und von wem bekommt ein volljähriges Kind Unterhalt?
In meiner Kanzlei werde ich häufig von jungen Mandanten und Mandantinnen aufgesucht, die klären möchten, ob sie Unterhaltsansprüche gegen einen Elternteil oder gegen beide Elternteile haben. Zu diesem Thema hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt, im Rahmen derer die Gerichte einerseits die grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch herausgearbeitet haben, andererseits aber auch den jeweiligen individuellen Verhältnissen eines volljährigen Kindes und der haftenden Eltern Rechnung tragen.
Der Grundsatz lautet: Ein volljähriges Kind muss für sich selber sorgen.
Ein volljähriges Kind muss also grundsätzlich einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder auf andere Weise Einkünfte erzielen, um den eigenen monatlichen Bedarf zu decken.
Hiervon macht die Rechtsprechung dann eine Ausnahme, wenn das volljährige Kind entweder krank ist oder aber sich noch in Ausbildung befindet. Denn ein krankes Kind ist nicht in der Lage, der Erwerbstätigkeit nachzugehen, die es braucht, um den eigenen Bedarf zu decken. Und ein in Ausbildung befindliches Kind muss sich erst noch den Status erarbeiten, den es braucht, um eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können.
Der zuletzt genannte Fall der Ausbildung ist in der Rechtsprechung sehr häufig entschieden worden. Die Einzelfälle sind mannigfaltig:
In einem Fall zum Beispiel beginnt das volljährige Kind unmittelbar nach dem Abitur mit einem Studium und schließt dieses mit den vorgesehenen Examina ab, um sodann nahtlos in das Erwerbsleben einzutreten.
Ein anderes Kind nimmt bereits vor Volljährigkeit eine Lehre auf, schließt diese nach Volljährigkeit ab. Danach beginnt es ein Studium über ein sachverwandtes Thema, um sodann festzustellen, dass dieses seinen eigenen Begabungen nicht entspricht. Dieses Kind wechselt in einen völlig anderen Studiengang und unterbricht dieses für diverse Praktika, um sodann nach weiteren 3 oder 4 Jahren in die Prüfungen einzusteigen und diese 2 weitere Jahre später abzuschließen. Danach folgt ein Auslandsaufenthalt, der die Ausbildung abrunden soll, und erst dann tritt das Kind in die eigene Erwerbstätigkeit ein.
Dies sind nur zwei Beispiele für Lebensläufe, wie sie durch die Ausbildung eines Kindes bedingt sein können. Die Rechtsprechung will jedem einzelnen dieser Lebensläufe gerecht werden.
Gerecht werden will die Rechtsprechung aber auch denjenigen, die solche Ausbildungsgänge finanzieren müssen. Ab dem 18. Lebensjahr eines Kindes haften immer beide Eltern für den Unterhalt. Das gilt unabhängig davon, wo das Kind lebt.
Lebt es also noch im Haushalt des Vaters und sieht die Mutter besuchsweise, dann haften Mutter und Vater. Lebt das Kind im Haushalt der Mutter und sieht den Vater besuchsweise, haften ebenfalls beide Eltern.
Wenn das volljährige Kind sich noch in Schulausbildung befindet, dann wird es bis zum 21. Lebensjahr unterhaltsrechtlich genauso behandelt wie ein minderjähriges Kind. Dies ist besonders dann wichtig, wenn mehrere unterhaltspflichtige Kinder vorhanden sind und geprüft werden muss, ob eines dieser Kinder im Rang vorgeht.
Wie die Beteiligung beider Eltern an den Unterhaltszahlungen auszurechnen ist, hängt zunächst davon ab, ob das Kind noch im Haushalt eines Elternteils lebt oder bereits einen eigenen Hausstand hat. Im ersten Fall wird die Düsseldorfer Tabelle herangezogen. Im zweiten Fall haben die Oberlandesgerichte in Deutschland und so auch das Kammergericht in Berlin pauschale Sätze festgelegt, die einem Kind mit eigenem Hausstand zustehen sollen.
Bei der Berechnung der sog. Haftungsanteile der Eltern ist das Kindergeld insofern zu berücksichtigen, als es einem volljährigen Kind alleine zustehen soll. Es wird also nicht, wie bei minderjährigen Kindern noch, auf den Unterhaltsbetrag hälftig angerechnet, den ein unterhaltspflichtiger Elternteil bezahlen soll. Vielmehr wird das Kindergeld vollständig auf den Bedarf des volljährigen Kindes angerechnet und erst danach ausgerechnet, wie viel Unterhalt jeder Elternteil bezahlen muss.
Volljährige Kinder haben diesen Unterhaltsanspruch gegen ihre Eltern nur dann, wenn sie den Eltern darüber Auskunft erteilen, wofür sie den Unterhalt brauchen. Möchten sie also eine Ausbildung machen, dann sind sie gefordert, ihren Eltern Auskunft darüber zu erteilen, was und mit welchem Ziel sie studieren möchten, wie lange die reguläre Studiendauer ist, welche Scheine und Klausuren sie zu bewältigen haben und wann in etwa mit den Abschlussprüfungen gerechnet werden kann. Darüber hinaus sollen sie ihren Eltern die Immatrikulationsbescheinigungen im Falle eines Studiums oder Ausbildungsverträge im Falle einer Lehre vorlegen.
Diesen Grundsatz, wonach Eltern nur dann für ein volljähriges Kind sollen bezahlen müssen, wenn es ihnen nachweist, dass es die gewünschte Ausbildung zügig betreibt, nennt man Gegenseitigkeitsprinzip. Es ist der grundsätzlichen Eigenverantwortung eines volljährigen Kindes geschuldet, das seinen Eltern erklären soll, wofür es den Unterhalt im Einzelnen verwendet.
Volljährige Kinder, die dieses Gegenseitigkeitsprinzip nicht erfüllen, verlieren ihren Unterhaltsanspruch. Dies wird rechtlich Verwirkung genannt.
Weiter sollen die zum Unterhalt verpflichteten Eltern davor geschützt werden, dass sie ihren eigenen Bedarf nicht mehr absichern können. Deswegen haben die Oberlandesgerichte in Deutschland und so auch das Kammergericht in Berlin sogenannte Selbstbehaltsätze festgelegt. Das ist der Betrag, den ein unterhalts-
verpflichteter Elternteil für sich soll behalten dürfen. Er soll seine eigene Existenz nicht gefährden müssen, wenn er für ein volljähriges Kind Unterhalt bezahlt. Dieser Selbstbehalt ist bei volljährigen Kindern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und bei volljährigen Kindern, die zwar noch nicht 21 Jahre alt sind, aber bereits die Schule beendet haben, höher als die Selbstbehaltssätze bei volljährigen, noch nicht 21-jährigen Kindern, die noch die Schule besuchen.
Was aber, wenn zwar beide Eltern unterhaltspflichtig sind, der eine sich aber schlichtweg weigert, den Unterhalt zu bezahlen und deswegen der andere Elternteil für die Bedarfsdeckung des Kindes vollständig aufkommt? Hat dieser zahlende Elternteil einen Ausgleichsanspruch gegen denjenigen Elternteil, der sich an der Bedarfsdeckung nicht beteiligt hat?
Und schließlich: Was passiert, wenn Eltern untereinander prozessieren müssen, weil die Bedarfsdeckung für das volljährige Kind streitig ist? Und was, wenn ein volljähriges Kind die eigenen Eltern verklagen muss, um seinen Unterhalt zu bekommen? Wer darf solche Verfahren einleiten? Welche Voraussetzungen gibt es hierfür?
Sie sehen hier einen groben Überblick über das Recht des Unterhalts für volljährige Kinder. In den nachfolgenden Beiträgen werde ich auf die einzelnen Teilprobleme eingehen. Der Beitrag Volljährigenunterhalt II wird sich mit dem Thema Gegenseitigkeitsprinzip und Verwirkung befassen.