Umgang in Zeiten des Corona-Virus
Einige Mandanten haben mich seit Ausbruch der Corona-Krise mit der Frage kon-frontiert, wie sich die Kita- und Schulschließungen auf bestehende Umgangsregelungen für das gemeinsame minderjährige Kind auswirken.
Oftmals werde ich gefragt, ob es für diese Fälle ein Gesetz gibt oder Rechtsprechung. Das muss ich jeweils verneinen. Die Situation, die durch die Corona-Krise entstanden ist, ist für alle neu, also auch für den Gesetzgeber und die Gerichte, die sich mit Familien-konflikten zu befassen haben. Da diese Konflikte angesichts der besonderen Situation nun akut aufbrechen, können so schnell die Familiengerichte nicht und schon gar nicht der Gesetzgeber reagieren.
Hinzukommt, dass die Gerichte geschlossen sind und nur nach einem Notplan arbeiten. Selbst, wenn man Eilanträge einreichen würde, könnte man mit einer zügigen Erledigung, die bestimmte Erfahrungswerte liefern würde, gar nicht rechnen.
Auch die Jugendämter, die in solchen Fällen die erste Anlaufstelle sein sollten, können Ihnen nicht zur Verfügung stehen. Auch sie haben alle Termine zu Ihrem Schutz und dem der eigenen Mitarbeiter aufheben müssen.
So sind Sie einmal mehr als Eltern mit Ihrer Fähigkeit, den Konflikt für Ihr Kind zu lösen, gefragt.
Die nachfolgenden Hinweise orientieren sich in erster Linie an den Bedürfnissen Ihres Kindes, welches möglichst heil durch diese Zeit kommen sollte, was seine körperliche Gesundheit angeht, sein seelisches Wohlbefinden und schließlich die Beschulung.
Ihr Kind nimmt den durch die Krise entstehenden Stress mindestens so stark wahr wie Sie. Es gilt hier also das, was ohnehin für alle Trennungskinder gilt, umso mehr: möglichst keinen Elternstreit erleben zu müssen. Wenn Sie also Konflikte haben, dann ist es wichtig, dass Sie sie in ausreichender Entfernung von Ihrem Kind austragen.
Die Kita- und Schulschließungen führen zu einer besonderen Herausforderung. Sie müssen möglicherweise Betreuung neu organisieren und mit Ihren Arbeitszeiten in Einklang bringen. Wenn Sie hier die Betreuung Ihres Kindes nahtlos so aufrechterhalten wollen, dass Ihr Kind nicht beeinträchtigt ist, fordert es Ihnen Einiges an Kommunikation ab. Das Kindeswohl sollte dabei Ihr Maßstab bleiben. Sie haben Ihre Regelung in Zeiten getroffen, in denen es die heutige besondere Situation nicht gab und Sie mit ihr auch nicht rechnen konnten. So geht es darum, durch gemeinsame Absprachen die bestehende Regelung an die neue Situation anzupassen. Das heißt, dass Sie beide z.B. Ihre Betreuungszeiten ändern oder dass Sie sich wegen der Schularbeiten zuhause austauschen und abstimmen oder sich abwechseln, um für die Kinder, die viel zuhause sein müssen, hinreichend zu beschäftigen.
Sie dürfen von bestehenden Umgangsregelungen immer dann gemeinsam abweichen, wenn Sie es im Interesse Ihres Kindes für erforderlich halten. Dies gilt unabhängig davon, ob die bestehende Umgangsregelung eine rechtlich verbindliche ist (also z. B. ein Gerichts-beschluss oder ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich oder ein notarieller Vertrag) oder ob es sich einfach um eine mündliche Absprache zwischen Ihnen als Eltern handelt, die Sie im beiderseitigen Einvernehmen umsetzen.
Einseitig hingegen darf man von einer bestehenden Regelung nur abweichen, wenn dadurch eine Kindeswohlgefährdung vermieden wird.
Beispiel: die Umgangsregelung für zwei 3-jährige Kinder lautet, dass der eine Elternteil seine Kinder nur 14-tägig am Wochenende sieht. Der betreuende Elternteil hat noch nie einen einzigen Tag mehr zugelassen. Während der Corona – Krise lässt der betreuende Elternteil, der als Arzt tätig ist, die Kinder fremd betreuen oder nimmt sie sogar mit an den Arbeitsplatz in die Klinik. Eine Betreuung durch den im home office beschäftigten anderen Elternteil verweigert er mit der Begründung, die Kinder seien versorgt und die bestehende Regelung gebe nichts anderes her. Letzteres ist richtig. Der andere Elternteil müsste ein Eilverfahren einleiten, um die Kinder betreuen zu können. Und genau das wird angesichts des Notbetriebs bei Gericht ein Problem sein.
Nur, wenn in einem solchen Fall Hinweise auf eine akute Kindeswohlgefährdung vorliegen, also z.B. Symptome bei den Kindern auftreten oder eine Quarantäne – Anordnung für den betreuenden Elternteil vorliegt, dann stellen Sie trotz der Belastung der Gerichte den Eilantrag auf vorläufige Abänderung. Dann erlaubt die Gefährdung des Kindes kein Zuwarten. Vorher sollten Sie den Kontakt zu den Kinderschutzstellen, die auch einen Notbetrieb haben, versuchen. Im Übrigen dürfen Sie in einem solchen Fall auch das Gesundheitsamt kontaktieren.
Bis dahin aber sollten Sie die Möglichkeit einer einvernehmlichen Einigung ausschöpfen.
Wenn die Corona-Krise vorbei ist und Kitas und Schulen wieder öffnen, können Sie zu der ursprünglichen Regelung zurückkehren. Sie sollten dann auch zu der ursprünglichen Regelung zurückkehren, weil die Ausnahmesituation entfallen ist. Anders wäre es nur dann, wenn Sie durch die während der Corona-Krise verabredete Umgangsregelung merken, dass aus welchen Gründen auch immer die dann gewählte Betreuung für Ihr Kind sogar eine bessere ist, als Sie sie vorher getroffen hatten. Auch dann dürfen Sie einvernehmlich von der bisherigen Regelung abweichen.
Manchmal hat ein Elternteil die Sorge, dass wenn er sich auf eine abweichende Betreuungsregelung während der Corona-Krise einlässt, befürchten muss, dass er zu der ursprünglichen Regelung nicht mehr zurückkehren kann, weil der andere Elternteil einwenden könnte, dass man doch jetzt die während der Corona-Krise neu praktizierte Umgangsregelung solange gehabt habe, dass man an ihr festhalten müsse.
Dem ist nicht so. Solange Sie eine rechtlich verbindliche Umgangsregelung haben, gilt diese weiter, bis Sie sie abgeändert haben. Sie müssten schon über einen sehr langen Zeitraum von einigen Monaten ein abgeändertes Modell betreiben, damit man sich nicht mehr auf die ursprüngliche Regelung berufen kann. Und Sie müssten das abgeänderte Modell eben auch über das Ende der Krise hinaus umgesetzt haben.