Voraussetzung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Eltern
Im Mai 2013 hat der Gesetzgeber Neuregelungen geschaffen, die die Möglichkeit für Väter, die Mitverantwortung für das gemeinsame Kind zu übernehmen, erleichtert haben. Hierzu war der Gesetzgeber durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie durch diejenige des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gehalten.
Zu der Handhabung dieser neuen Regelung hat der Bundesgerichtshof am 15. Juni 2016 eine klärende Entscheidung erlassen. Und zwar war bis zu dieser Entscheidung immer wieder ein Punkt der Diskussion, ob es zwischen einer gemeinsamen elterlichen Sorge und der Alleinsorge der Mutter so etwas wie ein Regel-Ausnahme-Verhältnis gäbe. Zwar hatte sich in der Rechtsprechung bereits herauskristallisiert, dass ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis verneint wird. Der Bundesgerichtshof hat dies aber in seiner Entscheidung vom 15.06.2016 zu XII ZB 419/15 nochmals ausdrücklich klargestellt.
Danach begründe das Gesetz keinen Vorrang zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge, ebenso wenig wie einen zugunsten einer Alleinsorge der Mutter. Das Familiengericht müsse deshalb in jedem Falle die Erziehungseignung der Eltern, die kindlichen Bindungen, den Kindeswillen sowie die Prinzipien der Förderung und Kontinuität prüfen.
Hierbei, so der Bundesgerichtshof, könne ein nachhaltiger Elternkonflikt durchaus der gemeinsamen elterlichen Sorge widersprechen. Allerdings sei allein die Verweigerungshaltung eines Elternteils kein entscheidender Gesichtspunkt. Es bedürfe aber zwischen den Eltern eines Mindestmaßes an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen sowie einer insgesamt tragfähigen sozialen Beziehung.
Wenn Sie und der andere Elternteil also überhaupt nicht miteinander sprechen können, ohne dass Konflikte und Streit entstehen, dann könnte ein solches Konfliktniveau sich nachteilig auf die Befindlichkeit Ihres gemeinsamen Kindes auswirken und Grund dafür sein, dass ein Familiengericht die gemeinsame elterliche Sorge nicht anordnet.
Das Familiengericht, das über die Frage der gemeinsamen elterlichen Sorge zu entscheiden habe, müsse also prüfen, ob es konkrete Hinweise darauf gibt, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widersprechen könnte. Wenn solche Hinweise vorliegen, dann löse dies bei Gericht eine Amtsermittlungspflicht aus. Im Rahmen derer müsse das Gericht umfassend prüfen, ob die gemeinsame elterliche Verantwortung dem Kindeswohl entspricht. Hierbei seien zwingend auch die Äußerungen des Kindes einzubeziehen. Wenn auch nach einer erschöpfenden Sachaufklärung nicht festgestellt werde, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht, sei sie anzuordnen.
Im Ergebnis heißt dies, dass der Bundesgerichtshof eine ausschließlich an dem Kindeswohl orientierte Entscheidung wünscht, die also ergebnisoffen ist und nicht darauf ausgerichtet ist, eine bestimmte Regel zugunsten von gemeinsamer elterlicher Sorge oder Alleinsorge der nicht ehelichen Mutter umzusetzen.
Damit sind die Prüfungskriterien genau dieselben wie diejenigen, die ein Familienrichter abzuprüfen hat, wenn Eltern die gemeinsame elterliche Sorge haben und einer der beiden Elternteile die Alleinsorge beantragt. Die Prüfungsrichtung ist nur ein umgekehrte. Im ersten Fall (Herstellung gemeinsamer elterlich Sorge) wird negativ geprüft, ob das Kindeswohl der Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge widerspricht, wohingegen im zweiten Fall (Aufhebung gemeinsamer elterlicher Sorge) positiv geprüft wird, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl entspricht.
(Quelle: Familienrechtsberatung Heft 9/16, Seite 343)