Artikel vom 8. Februar 2016 In der Kategorie

Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch einstweilige Anordnung

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.09.2015

Die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist ein ganz gravierender Einschnitt ist das Sorgerecht eines Elternteils, aber natürlich auch in die Lebensumstände des betroffenen Kindes. Eine solch gravierende Entscheidung setzt voraus, dass das Gericht sehr sorgfältig die Bedürfnislage des Kindes und die Erziehungsfähigkeit der Eltern geprüft hat. Normalerweise ist hierfür erforderlich, dass die Eltern umfassend angehört und in der Regel auch ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt hat.

Es gibt aber Fälle, in denen das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Rahmen eines Eilverfahrens entzogen werden muss. Es handelt sich um Fälle, in denen das Gericht von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgehen muss und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Verbleib des Kindes im bisherigen Haushalt eine nachhaltige Gefährdung des Kindes in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl bedeuten würde. Je schwerer die Kindeswohlgefährdung ist, die sich abzeichnet, desto eher steht die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege eines Eilverfahrens im Raum.

Im Rahmen von Eilverfahren können langwierige Sachverständigengutachten nicht eingeholt werden. Sie erfordern ein schnelles Handeln des zuständigen Gerichts. Aus diesem Grunde muss ein Gericht in einem solchen Falle das Verfahren so gestalten, dass es abschätzen kann, welche Schäden für das Kind zu erwarten wären, wenn es im bisherigen Haushalt verbliebe und mit welchen Schäden gerechnet werden muss, wenn es vorläufig in den Haushalt des anderen Elternteils wechselt.

Das Bundesverfassungsgericht verlangt in dieser Entscheidung, dass das zuständige Gericht das Verfahren entsprechend gestaltet und mit den Mitteln der in einem Eilverfahren zur Verfügung stehenden Maßnahmen den Sachverhalt immer wieder sorgfältig aufklärt, um feststellen zu können, wie hoch das Ausmaß der in § 1666 BGB geforderten Kindeswohlgefährdung ist. Treten während eines solchen Verfahrens Änderungen in den Lebensumständen des Kindes ein, die eventuell eine Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Eilverfahren entbehrlich machen, so soll das Gericht gehalten sein, auch diese Änderungen in ihren Folgen für das Kind aufzuklären.

In der Praxis dürfte dieses bedeuten, dass auch in einem Eilverfahren bei der Änderung bestimmter Lebensumstände eine erneute Anhörung der Beteiligten zu erfolgen hat. Dies kann das Gericht von sich aus veranlassen, kann aber auch von einem Elternteil, der sich auf solche Änderungen beruft, eingefordert werden.

Dies gilt für die gesamte Dauer des Verfahrens. Erst wenn das Verfahren abgeschlossen ist, ist eine Entscheidung über das eventuelle Rechtsmittel zu treffen. Hat das Familiengericht ohne mündliche Verhandlung einen Beschluss erlassen, dann darf jeder Beteiligte die Durchführung der mündlichen Verhandlung verlangen. Ist hingegen erst mündlich verhandelt und danach der Beschluss erlassen worden, dann ist das zulässige Rechtsmittel dasjenige der Beschwerde zum zuständigen Oberlandesgericht.